Tilicho Lake

Tag 1: Über Landslides von Khangsar zum Tilicho Base Camp (4.200m)

Pünktlich nach dem Frühstück holten uns unsere vier fröhlichen Mitwanderer in Khangsar ab: Dave aus Amerika, Heather aus Kanada, Martin aus den Niederlanden und Marek aus Slowenien. Wir schlenderten durch die Gassen des Ortes, vorbei an äußerst befremdlichen Schildern ("We are proud having toilet in our home") bis wir zu einem Tor kamen. Dahinter gabelte sich der Weg und ein Wegweiser zeigte den Berg hinauf.

 

Es gibt verschiedene Wege, um zum Tilicho Base Camp zu gelangen, zum einen die Upper Route, die wir aufgrund der Höhe (4920m) und der damit einhergehenden Strapazen nicht einschlagen wollten (und die aufgrund von Erdrutschen auch nicht mehr begehbar ist) und zum anderen die weniger anstrengende Lower Route. Um also auf Nummer sicher zu gehen folgten wir nicht dem Wegweiser nach oben, obwohl ein Porter und seine Schützlinge gerade diese Route eingeschlagen hatten. Ein paar hundert Meter später führte nun aber auch unser Weg in die Höhe, um nach einigen Kurven auf dem eigentlichen Weg zu kommen.

 

 

Weiter ging es ohne große Höhenunterschiede. Wir durchliefen zwei kleine Ansiedlungen mit jeweils ein bis zwei Häusern, wo wir bei strahlendem Sonnenschein pausierten und ein Mittagsmahl genossen. Nun ging es irgendwann über eine kleine Brücke, auf deren anderer Seite Arbeiter einen abenteuerlichen Weg an einen steilen staubigen Felsen erbauten. Oben angekommen sah man dann auch langsam die auf uns zukommende Landslide-Area. Steil und grau fiel das Geröll bis zum unten brausenden Marsyangdi hinab. Auf der gegenüberliegenden Flussseite lösten sich alle paar Minuten Gerölllawinen und bliesen eine Staubwolke in die Luft. Am Erdrutschgebiet angekommen, wirkte es gar nicht mehr so steil. Dennoch gingen wir sicherheitshalber alle einzeln mit einem Abstand von zehn Metern zügig durch diese Zone.... zumindest bis wir an eine sehr steile kurvige Passage mit schiefen, rutschenden Tritten kamen. Hier überkam mich eine kleine Panik. Ich hasse es steile Wege hinunter zu gehen, vor allem, wenn sie wegrutschen und das Ende erst in ca. 1000 Metern in Sicht ist. Einige Trekker kamen uns von vorn entgegen und ich hatte kurz Zeit, um mich wieder zu fassen. 

 

Wunderschöne Felsformationen ragten aus dem Geröllfeld. Hier und da waren runde Löcher im Stein entstanden. Manche sahen aus wie Giraffen oder andere wie Schnecken oder sonst ein Getier. Es war wunderschön. Vollkommen surreal. Als es begann zu tröpfeln sahen wir aus der Ferne schon das Tilicho Base Camp mit seinen zwei Lodges. Wir kehrte ins erste ein, aßen eine ordentliche Portion Daal-Bhat und spielten um den mit Yak-Mist geheizten Ofen Wizzard, während sich das Wasser in meiner Aluflasche schon langsam erhitzte. 

 


Tag 2: Aufstieg zum Tilicho Lake

Das am Abend vorbestellte Frühstück stand pünktlich um 6:30 Uhr auf dem Tisch des lichtdurchfluteten Speiseraums! Wir ließen uns den Gemüsereis, die Nudeln, die Pancakes usw. schmecken, kauften noch ein paar Kekse als Proviant und machten uns bei Sonnenschein auf den gut erkennbaren Weg hinauf zum 4.920m hoch gelegenen Bergsee. 

 
Bis zu einem schier endlosen Serpentinenanstieg war der Weg zwar nur wenig anstrengend, doch wurden wir mit unserem Handtäschchen trotzdem immerwieder von schwerbeladenen Sherpas überholt, die auf dem Weg zum High Camp am Rande des Sees waren. Langsam setzten wir Fuß vor Fuß, während die Luft merklich knapper wurde. Besonders bei Norman setzten langsam Kopfschmerzen ein.
 

 

Hinter dem kurvigen Anstieg ging es weiter um den Berg herum. Hier erreichten wir dann den ersten Schnee, in dem wir unbeholfen bei jedem Schritt bis zu einen halben Meter tief versackten. Ein kalter Wind tobte und Normans Kopfschmerzen wurden immer heftiger, als es galt den besten Weg durch das tauende Weiß zu finden. Der Tilicho Lake war nicht mehr weit! Unter Atemnot und Schwindelgefühl kämpfte sich Norman weiter durch den Schnee.,  Und da war er: ein erster kleiner See, aber leider der falsche. Sollten wir besser umkehren? Norman nahm eine halbe Tablette gegen die Höhenkrankheit und hoffte, dass es besser werden würde, während ich diese wundervolle Umgebung in mich aufsaugte: das Weiß um mich herum, die Wolken über den Gebirgsgipfeln, die Stille, die sich ausbreitete, wenn der eisige Wind sich kurz legte. Es war wunderschön. Nur Norman konnte es nicht genießen... Auch als der große und unter einer Eisdecke begrabene Tilicho Lake endlich vor uns auftauchte, dachte Norman nur daran so schnell wie möglich umzukehren. Während einer kurzen Pause im Windschatten einer Hütte, genossen wir den Blick über die Weite des Sees und die umliegenden Berge, während sich auf der linken Seeseite eine Lawine löste. Naturgewalt pur. Ich wäre gern noch länger verweilt. Doch Norman ging es immer schlechter,  sodass wir uns schnell den Weg zurück bahnten. Unten angekommen zog er sich ins Bett zurück, um dann abends zum Wizard spielen wieder quicklebendig zu sein. 

 


Tag 3: Off-Route Abenteuer auf dem Rückweg nach Manang

 Wir nutzten den wolkenverhangenen Morgen, um noch ein wenig zu schlafen, bevor wir uns den Weg zurück durch die surreale Mondlanschaft bahnten. Aufgrund der Landslides und der leichten Panik vor zwei Tagen war ich schon etwas nervös. Doch als wir die Erdrutschzone erreichten, kamen unsere verrückten Mitwanderer auf die abenteuerliche Idee, diese einfach mehrere hundert Meter steil hinunter zu springen und dann am Fluss entlang zu laufen. "Komm Anja, das macht Spaß!!!" hörte ich von Norman als er schon Anlauf nahm, um den anderen hinterher zu springen. "Machs einfach wie beim Snowb..." Ääääähm ja, schon klar!!! Mir blieb also nichts anderes übrig, als mich zaghaft ebenfalls in den steilen Abhang zu begeben. Alle waren schon längst unten, als es immer steiler und steiler wurde. Die Steine wurden immer größer und immer wieder geriet eine größere Menge ins Rutschen... Panik ergriff mich wieder und es war niemand da, um mir zu helfen. Als ich stinksauer und zitternd unten ankam, sagte Marek: "I am sorry to say that, but we have to go up again."

 

Das dies alles andere als ein Scherz war, stellte sich allerdings erst nach zehn Minuten heraus. Hier befand sich der staubige Berg plötzlich senkrecht am Ufer des Flusses. Ein passieren war unmöglich. (Na sowas!!!... Wer kann schon ahnen, dass so ein Fluss auch schon mal mäandriert???) Weil wir alle die Strapazen eines Anstiegs im Geröll vermeiden wollten, suchten wir nach Möglichkeiten den Fluss zu überqueren. Wir hielten Ausschau nach passierbaren Stellen, versuchten umgestürzte Bäume auszugraben und sie als Brücke zu nutzen, aber es half alles nichts (davon abgesehen, dass wir nicht wussten, was uns auf der anderen Seite erwartete)...

 

Wir berieten uns kurz und entschieden dann einem steilen, ausgetrockneten, wasserfallähnlichen Seitenarm zu erklimmen, statt die Landslides im endlosen Zickzack zu bewandern. Es folgten steile Sandflächen mit trockenem Gestrüpp, das man beim Versuch sich daran hochzuziehen oder sich festzuhalten, sofort herausriss. Unsere Mitwanderer waren gar nicht mehr zu sehen. Jeder suchte sich seinen eigenen ungewissen Weg und ich fühlte mich alles andere als wohl dabei. Letztlich aber führten alle Wege nach Rom und nach fünf Stunden kamen wir auf dem eigentlichen Weg oben am Restaurant an. Nach einer weiteren Stunde waren wir in Kangsar und liefen von dort direkt weiter nach Manang, wo wir eine Chocolate Roll und eine Cola genossen und den Abend unseres großen umwegigen Abenteuers lachend ausklingen ließen. 

 


Der Blick auf die Karte


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