Helgoland - Deät Lun


Die Offshore-Insel

Sechs Wochen verbrachte ich im Herbst auf Helgoland - Deutschlands einziger Hochseeinsel, dem Fuselfelsen, Helgotraz, der ersten Offshore-Insel der Welt oder einfach Deät Lun - das Land.

 

Millionen Euro wurden hier durch die öffentliche Hand und die Energieversorger E.On, RWE und WindMW investiert um den Südhafen zu einem Stützpunkt für die Offshore Windenergie in der Nordsee zu machen. Drei Windparks mit über 200 Windkraftanlagen nordwestlich von Helgoland wurden errichtet. Weitere Parks sind in der Planung.


Nach einem steten Rückgang der Besucher- und Einwohnerzahlen bedeutet dies eine große Chance für Helgoland. 150 - 200 Techniker müssen irgendwo schlafen, essen und das wohlverdiente Feierabendbierchen trinken.

 

So ist das Hotel Atoll bereits bis 2023 komplett verpachtet. Eigene Häuser für die Unterbringung der Techniker wurden gebaut und weitere Übernachtungsmöglichkeiten sollen auf dem Oberland entstehen.

Der einzige Supermarkt der Insel, Edeka, bietet extra Offshore-Öffnungszeiten. So können die Techniker nach Anmeldung zwei Mal in der Woche auch nach der Arbeit noch einkaufen gehen. Verpassen sie dies, oder gehen die Vorräte vorher zur Neige, freuen sich die vielen Imbisse und Restaurants. Vor allem in den guten Läden sind die Plätze oft voll ausgebucht.

Früh am Morgen profitiert der Inselbäcker von den in knallgelben und orangen Jacken vorbeimarschierenden Offshore-Menschen. Er öffnet ganz inoffiziell einfach seine Backstube für einen kleinen Vorabverkauf. Wer früh kommt, kann sogar noch ein Schokocroissant oder eine Käsebrötchen abstauben. Kommt man zu spät ist die  magische kleine Backstubentür wieder verschlossen. Ein Boots-Bedarf-Shop wittert ebenfalls die Gunst der Stunde und öffnet seine Pforten am frühen Morgen. Hat man keinen Belag mehr fürs Brötchen. Kann man hier fündig werden.

 

Win-win. Die Offshore-Mitarbeiter sind froh über die Einkaufsmöglichkeiten außerhalb ihrer 12-Stunden-Schichten und die Unternehmer freuen sich über den zusätzlichen Umsatz.


Südhafen mit von RWE gebauten Häusern für die Unterbringung von Service-Technikern auf dem Mittelland
Der Südhafen

Helgotraz

Eigentlich gibt es auf der Insel alles was das Herz begehrt. Neben dem Supermarkt und dem Bäcker, gibt es diverse Restaurants, Bars, sogar eine Diskothek, ein "Kino", ein Fitnessstudio, Museen, ein Schwimmbad. Doch die Service-Techniker sind sich einig: 14 Tage Helgoland (so lange dauert eine Schicht): Das reicht!!

"Helgotraz" nennen sie ihren Arbeitsort.

 

Der Leuchtturm besitzt das lichtstärkste deutsche Feuer und erinnert des Nachts in der Tat stark an einen Suchscheinwerfer in einem Gefängnis... einer Gefängnisinsel.

Doch hier gibt es kein Entkommen. Tosendes Meer soweit das Auge blickt.


Der Leuchtturm
Der Leuchtturm

Zwischen Fuselinsel und Naturparadies

Während die Offshore-Techniker, auf den Windkraftanlagen 30km vor der Insel arbeiten und das Ende ihrer Schicht herbeisehnen, kommen jeden Tag hunderte Touristen mit großen Fähren von Cuxhaven, Büsum oder Hamburg. Jeden Tag zur Mittagszeit wandern sie in einem riesigen Pulk über die Insel. Es herrscht ein großes Treiben an den Hummerbuden und Duty-Free-Shops. Sind die Tagestouristen am frühen Abend mit ihren Zigaretten und Whiskeyflaschen wieder verschwunden, ist es wieder ganz still auf der Insel.


Als ich heute von dem Schiff steige, dass mich mit von den Windkraftanlagen wieder sicher nach Helgoland gebracht hat, steht dort ein nettes altes Rentnerehepaar. Neugierig beobachten sie die Einfahrt und Entladung der Offshore-Schiffe. Sie stellen mir unglaublich viele Fragen und so auch ich: "Was machen Sie denn hier auf Helgoland?" Seit über 10 Jahren kommen sie hierher. Wegen der guten Luft. Es gefalle ihnen sehr gut. Weit laufen könnten sie eh nicht mehr.


Wie jeden Tag sehe ich auf dem Weg in meine Pension mehrere Leute mit tarnfarbenen Hosen und Jacken und schweren Stativen und Spektiven über die Insel ziehen. Rentner treibt es hierher ... und Vogelbeobachter. Ich versteh es nicht so ganz. Wie kann man Vögel nur beobachten? Ohne Fotos zu machen? Sich einfach nur auf die Lauer legen um sie zu sehen, einen kurzen Augenblick? Im Herbst gibt es sogar einen Wettkampf, bei dem es darum geht möglichst viele verschiedene Vögel zu sichten. "Bird Race" nennt sich das Spektakel. Denn tausende Vögel rasten bei ihrem Zug gen Süden auf der Insel und wollen von Experten und Laien gefunden und in einer Datenbank registriert werden.


Aber Fotografen gibt es auch ...mit riesigen sündhaft teuren Teleobjektiven. Und wenn sie nicht auf der Düne nach Zugvögeln Ausschau halten, stehen sie am Lummenfelsen. Der Lummenfelsen ist Deutschlands kleinstes Naturschutzgebiet. Es ist nicht nur das Gebiet mit der größten Brutvogeldichte, sondern es ist auch der einzige Brutplatz vieler Seevögel in Deutschland, z.B. von Trottellumme, Basstölpel, Eissturmvogel, Tordalk und Dreizehenmöwe.



Die Düne

Außer vieler seltener Vögel gibt es noch weitere interessante Tiere auf der Nebeninsel Düne: Kegelrobben und Seehunde liegen hier faul im Sand. Im Dezember kann man die kuscheligen Jungtiere mit den großen schwarzen Augen aus nächster Nähe erleben. Auf dem Flugplatz müssen die ganz Faulen dann sogar mit einem Radlader vom Rollfeld transportiert werden. An Land ist zwar ein Abstand von ca. 30m einzuhalten, doch kann es im Sommer durchaus passieren, dass neugierige Gesellen im Wasser auf Tuchfühlung gehen wollen.

 

Auf der Düne ist es auch möglich, den nur dort vorkommenden roten Feuerstein zu sammeln. Für den Fall, dass dies nicht klappt, gibt es einen kleines Schmucklädchen in den Hummerbuden, der diese seltenen Steine verkauft.



Aber auch geschichtlich ist Helgoland sehr interessant. Hat sich doch das heutige Erscheinungsbild der gesamte Insel erst durch den zweiten Weltkrieg geprägt. So wurde die Düne durch Sandaufspülungen vergrößert, um mit dem Hummerscherenprojekt, den größten eisfreien deutschen Kriegshafen zu bilden. Dieses Projekt wurde aus Kostengründen und Materialmangel allerdings aufgegeben.

Das Oberland wurde vor allem durch Bombeneinschläge geprägt, während das Mittelland durch den Big Bang - der größten nicht nuklearen Sprengung der Welt entstanden ist.

Die nicht den Sprengungen zum Opfer gefallenen Bunkeranlagen der Insel kann man in einer sehr informativen Führung besuchen.

 

Und wer jetzt immernoch Langeweile auf Helgoland verspührt, der kann neuerdings auch eine Fahrt zu den Offshore-Windparks unternehmen.


Besucherzaehler

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Kommentare: 1
  • #1

    Basel (Donnerstag, 26 November 2015 00:02)

    Wie immer sehr schöne Fotos und ein sehr informativer Bericht. Fühlt sich an, als wäre ich schon dort gewesen!