Xcalak - Mexiko


Zelten in Xcalak

Es ist schon dunkel, als wir mit einem Kleinbus über die scheinbar endlose Straße nach Xcalak holpern, "Wo wollt ihr denn hin?" werden wir neugierig und hilfsbereit gefragt, als der Fahrer langsam das Dorf erreicht. "Ähm, keine Ahnung. Gibt s ein billiges Hotel hier?" stottern wir auf Spanisch. Daraufhin hält der Bus vor einem blauen dunkel und verlassen wirkenden Gebäude. Wir steigen aus, sehen auf der anderen Seite der Straße drei Zelte auf dem Sand stehen. Im gleichen Augenblick stoppt ein Auto voller angetrunkener Mexikaner neben uns. Der Besitzer des "Campingplatzes", ein netter junger Mann mit Goldkette und recht gutem Englisch, steigt aus und versucht ihn uns schmackhaft zu machen.

Wir schauen uns das also erstmal genauer an: drei Zelte, direkt neben der sandigen Dorfstraße, nein eigentlich genau zwischen zwei staubigen Sandstraßen und enem staubigen Volleyballplatz. Mit unseren Biwacksäcken, konnten wir uns noch nicht so richtig vorstellen uns hier wirklich wohl zu fühlen.

 

Be den Zelten regen sich nun Menschen. Wir treffen Emil, der sich schon seit 10 Tagen in Xcalak aufhällt, seine schwedischen Freunde Emma und Olaf, ein deutsches Pärchen mit ihrer zwei Jahre alten Tochter sowie ein weiteres amerikanisch, indisch/deutsches Pärchen.

Da allesamt unwahrscheinlich nett sin, der Preis unschlagbar und das eine große Zelt gerade nicht in Benutzung ist, entscheiden wir hier zu bleiben, auf dem einzigen "Campingplatz" Xcalaks, der ohne Zelte wohl als einer von vielen sandigen Plätzen des Ortes nicht als ein solcher auszumachen gewesen wäre.

 

So scheint es hier allerdings nicht nur mit Campingplätzen zu sein. Hotels weisen keine Hotelschilder auf, sondern verstecken sich unkenntlich inmitten der anderen Häuser und das beste Taco/Empanada-Restaurant des Ortes befindet sich hinter einer ungekennzeichneten, unscheinbaren Fliegengittertür neben einem kleinen Laden... Du suchst etwas? Frag einfach!



Auf ins Abenteuer

Es ist früh am Morgen als wir aufwachen. Die Sonne steht noch ganz tief und taucht Xcalak in ein sanftes goldiges Licht, als wir durch die Straßen des Dorfes spazieren. 

Fischerboote liegen am schmalen dreckigen Ufer, viele der bunten Holzhäuser wirken verlassen. Ein Gemüsehändler fährt bimmelnd durch die Straßen. Wir kaufen zwei Bananen, eine Avocado und ein Brot und zahlen eine horrende (Touristen-)Summe. 
Anschließend essen wir zum Frühstück Tacos im Noname-Taco-Restaurant. Als wir wieder am Campingplatz ankommen, machen sich die anderen langsam bereit für das heutige Abenteuer: wir gehen WILD campen. Emil zeigt uns seine Skizze mit deren Hilfe wir zu einer Bucht finden sollen, in deren Nähe es angeblich auch Cenoten gibt.  Doch bevor es losgehen kann, muss Max noch versuchen seine Bewerbung fürs Masterstudium fertig zu machen. Es sind noch 48h bis zur Bewerbungsfrist. Wir gehen ins Restaurant von Tobi, errechnen Notenschnitte und versuchen Dateien hochzuladen... ohne Erfolg!
Also was solls: Auf ins Abenteuer!! Mit Wasserkanistern, dem großen schweren Zelt, einer Machete und einer riesigen Portion guter Laune und Abenteuerlust laufen wir entlang der Hauptstraße. Es ist schon Mittag und die Sonne drückt heiß auf meinen Kopf. Zu meiner Rettung kommt nur ein paar Minuten später ein Bus vorbei. Wir bringen ihn zum stoppen, hopsen hinein und freuen uns über diese Fügung. Als die Straße einen Knick macht springen wir wieder hinaus, um einem Waldweg geradeaus zu folgen. Mit Musik und netten Gesprächen kommen wir irgendwann an einen Abzweig. Hier soll es links zu einem Steg gehen, an dem wir uns später mit dem deutschen Pärchen und ihrer Tochter treffen wollen, die die Strecke mit einem Kanu zurücklegen. 
Wir aber gehen erst einmal weiter geradeaus und kommen mit großer Lust auf eine nasse Erfrischung an eine wunderschöne Bucht. Das Wasser ist kristallklar und Links kann man in der Ferne den langen Steg erkennen. Sachen abgelegt und hineingesprungen.... oder so ähnlich: Das Wasser war auf einige hundert Meter nur knietief, völlig verschlammt und gleichzeitig gespickt mit scharfen Steinformationen. Da ich an meinen Füßen sehr empfindlich bin, und Schwimmen in dem flachen Wasser auch nicht möglich war, ziehe ich mich im Wasser liegend mit den Händen über den Boden bis zu den anderen, die zum Teil in einem auf dem Riff gestrandeten Schiffswrack Platz genommen haben.
Max wirft Emil seine Frisbee zu, aber aufgrund der Bodenbeschaffenheit will sich niemand mehr als nötig bewegen. Sie geht unter und kann trotz aller Bemühungen in dem aufgewirbelten Schlamm nicht mehr gefunden werden. :(
Meine gute Laune verschlechtert sich ein wenig. War ja irgendwie klar. Könnte man hier vernünftig schwimmen, gäbe es hier bestimmt ein Hotel, eine amerikanische Villa oder wenigstens ein paar Hütten. Aber dies ist eine einsame Bucht. Gibt es auf dieser Welt überhaupt noch wirklich schöne Buchten, ohne Steine, Schlamm, Krokodile, Haie, gefährliche Strömungen und Müll die nicht vom Tourismus vollständig erfasst sind? Oder ist diese Vorstellung eh völlig romantisiert?
Die anderen bauen schließlich ihre Zelte auf. Direkt am Ufer ist es zu nass und schlammig. Im Gras weiter oben an der Straße sind die wenigen guten Plätze sofort belegt... irgendwie habe ich mir das anders vorgestellt. 
Während Emma die vorhandene Feuerstelle mit Steinen umzingelt, bringen die Jungs ein buntes Boot in ihre Gewalt. Das nächste Abenteur: Wir staksen mit dem Boot und zwei 2m langen Ästen über die Bucht zum Steg, um die Deutschen zu treffen. Ich steige mit skeptischem Blick und für alles präpariert als letzte ins Boot... und wir stecken direkt fest. Abgesehen davon, dass das Wasser hier auf den ersten hundert Metern sehr flach ist, scheint der lange ins Wasser ragende Steg an der linken Seite der Bucht doch sehr weit entfernt. "Hinstaksen? Mit zwei 2m langen Stöcken?... Aaaaahja!"
Nach 15 Minuten sind wir dem Steg ganze 10m näher gekommen. Wir brechen das Abenteuer ab und Emma und Olaf machen sich auf dem Landweg auf zum Steg zu der deutschen Familie. 30 Minuten später geht auch Emil in dieselbe Richtung, weil er sich verantwortlich fühlt und das Treffen dort mit den Deutschen arrangiert hat. Letzten Endes entschließen Max und ich uns ebenso, unserem Spaziergang ein neues Ziel zu geben, da wir beim besten Willen keinen nach links abzweigenden Weg zu irgendwelchen ominösen Cenoten finden konnten... ein dichtes Wirrwarr aus Mangroven und anderen Sträuchern und Bäumen erstreckt sich links und rechts vom Weg. Es dauert eine Ganze Weile, bis wir freudig zum Abzweig kommen. Wir biegen rechts ab und laufen weiter immer geradeaus. Langsam wird es immer dunkler, wir gehen zügig, um nicht den Mücken zum Opfer zu fallen. Keine Spur von den Anderen. "Wie weit kann es denn noch sein? Ist irgendetwas passiert? Wurden alle weggefangen?" Wir laufen weiter immer geradeaus und weichen nur den tiefen Schlaglöchern aus. Der Bewuchs wird ein wenig flacher. Wir können das Meer teilweise sehen und doch sind wir noch lange nicht da...
Plötzlich sehen wir zwei Menschen auf uns zurennen, Emma und Olaf, die versuchen den Mücken davonzulaufen. Obwohl die beiden noch ca. 30 Minuten weitergelaufen sind, haben sie den Steg noch nicht erreicht. Wir überlegen kurz, doch die Entscheidung war klar: wir wollten das Endziel erreichen!!! 


Eine gefühlte Stunde später treffen wir endlich auf Emil und die kleine deutsche Familie, welche uns kurz von ihrer anstrengenden Odyssee durch die mexikanischen Mangroven, ihrer ungeplanten Fahrt nach Belize und den dortigen hilfsbereiten Grenzbeamten berichten, bevor sie sich weiter auf den unendlichen Fußweg zum Camp machten, ohne eigenes Zelt, Schlafsäcke, aber dafür mit einem 2 jährigen Kind.

Wir gehen ersteinmal weiter, denn das Endziel kann ja nun wirklich nicht mehr weit sein.

 

Und siehe da: Fahnen, ein Häuschen und ein grooooßer, laaaaaanger Steg.

Es ist inzwischen stockdunkel und der Coast-Guard staunt nicht schlecht, als er heute abermals Besuch bekommt. Er bietet uns eine heiße Schokolade an und wir reden über Gott und die Welt. Als wir nach ein bis zwei Stunden mit unseren Spanischkenntnissen und unserer Konzentration vollends am Ende sind, legen wir uns noch kurz auf das Ende des Stegs und genießen den klaren leuchtenden Sternenhimmel, mitten im Wasser einer wunderschönen Bucht an der Karibikküste Mexikos. Das Etappenziel. Wunderschön.

 

Wir verabschieden uns letztendlich von dem netten alten Mann, der uns sogar noch Wasser gibt, um unsere leeren Flaschen aufzufüllen, bevor wir uns auf den unendlich langen Rückweg machen. Ständig stolpern wir in tiefe Löcher, sodass Knie und Rücken anfangen zu schmerzen. Büsche schlagen uns hier und da ins Gesicht.

 

Aber ohne Lampe ist's halt einfach viel schöner!!

 

Als wir das Camp erreichen, brennt dort ein kleines Lagerfeuer. Es wurde bereits gekocht und es war tatsächlich noch ein wenig für uns übrig. Ich war aber ziemlich müde und fertig und machte mich alsbald bettfertig. Schließlich hatten wir ein neues Ziel: Früh aufstehen, NOCHEINMAL zum Steg laufen, eine kleine Paddeltour machen und das Boot Olaf und Emma zum Camp bringen, damit diese dann zurück nach Xcalak fahren können! Yippieyaiyei!


Paddeln mit Delphinen

Der Wecker klingelt an diesem Morgen also noch in tiefster Dunkelheit. Während alle anderen tief und fest schlafen, sind wir zwar müde aber hochmotiviert.

Wir laufen die lange Gerade also zum dritten Mal, und bald erhellt warmes Morgenlicht den Weg, sodass wir gut vorrankommen. Der Coast-Guard wartet schon auf uns, hilft uns das Boot ins Wasser zu bringen und schenkt uns zum Abschied zwei Kokosnüsse, die er, mit seiner Machete ganz profihaft bearbeitet, so dass wir für einen späteren Genuss nur noch ein dünnes Häutchen einstechen müssen. PERFEKT. Was für ein geiler Typ! Er beschreibt uns noch den Weg zu den Cenoten und zeigt zu der Insel, die wir umfahren sollen. Also aufgesetzt und losgepaddelt! Was für ein schönes Gefühl!

 

Die Sonne steigt immer höher, als wir die erste Insel erreichen und umfahren. Denn was wir bis dahin für eine zweite Insel hielten, ist einfach eine weitere Bucht.. und dahinter? Noch eine Bucht! Also wo sollten nochmal die Cenoten sein? Die Insel ist mit Mangrovensträuchern überbewuchert, wir finden keine wirkliche Landmasse auf der man auf Cenotensuche hätte gehen, auf der man sich ohne Machete durchschlagen hätte können. Also paddeln wir weiter zur nächsten Insel.

 

Das Wasser ist hier türkisblau, ganz weich und klar, ein absoluter Traum, Riffe durchziehen es hier und da, die Sonne strahlt und PLÖTZLICH: Eine Rückenflosse. Panik durchzieht mich. "Ein Hai! Kann das sein? Ein Hai! Oh mein Gott! Was wenn der uns angreift? Wir sind weit weg vom Land und haben keine Chance." Ich höre die Melodie vom "Weißen Hai" in meinem Kopf.. "düüüüüüdüm, düüüüüüüdüm, düüüüüüdüm, düdümdüdümdüdümdüdümm." Aber nein: Es waren zwei Delfine!!!! Boah! Zwei Delfine. Wir sind so unglaublich glücklich. Sie kreisen immerwieder um unser Boot und sausen dann ganz schnell daran vorbei. Welch ein Geschenk an diesem wunderbaren Morgen.

 

Die nächste Insel hat dann tatsächlich einen richtigen Strand und richtiges Land. Als wir näher kommen, entdecken wir sogar eine kleine Hütte und die Fantasie geht wieder mit mir durch. "Wer wohnt oder versteckt sich da so nah an der Grenze zu Belize? Was wird hier getrieben? Sollen wir wirklich anhalten?" Aber der strahlendweiße Strand voller Muscheln und Korallen ist einfach zu bezaubernd. Wir kühlen uns also kurz ab, genießen das Leben, trinken Kokosnusswasser und freuen uns über diesen Tag.

 

Aber leider ist es schon so unglaublich spät, dass die anderen mit Sicherheit schon auf uns warten. Also machen wir uns schweren Herzens über die viel stürmischere Bucht Richtung Camp und als wir endlich dort ankommen, werden wir tatsächlich erwartet!!! Nicht nur von Emma und Olaf, sondern auch der Bootsbesitzer und das Militär haben schon nach uns gesucht. Die kleine Insel auf der wir gerade gestrandet waren, scheint also in der Tat ein gutes Versteck zu sein! :D

 

Aber Spaß beiseite: Da die kleine deutsche Familie aufgrund ihrer Strapazen nicht wie erwartet schon gestern zurück nach Xcalak gekommen waren, hatte der Campingplatzbesitzer Alarm geschlagen. Das Militär hat sich dann auf die Suche begeben und Emma, Olaf, Emil und den Rest mit Maschinengewehren um die Schulter früh am Morgen geweckt. Und auch der Bootsbesitzer wurde langsam unruhig, weil wir einfach nicht mit seinem Boot auftauchten. Es herrschte allergrößte Aufregung, während wir seelig mit Delfinen paddelten und an einem Traumstrand Kokosnüsse schlürften! :D Aber wer hätte auch gedacht, dass sich hier alle so viele Sorgen um ein paar Touristen machen... Oder wollten sie doch nur an unser Geld? Ein paar Pesos kostete der Spaß nämlich dann doch noch. Aber wir teilten uns das alles absolut fair, währen die deutsche Familie schon lange weitergetrampt war.



Anmeldung für Master

Wieder in Xcalak angekommen muss sich Max endlich abschließend um seine Bewerbung für sein Masterstudium kümmern. Da die Zeit langsam knapp wird, kaufen wir direkt beim Internet-Dealer im Dorfladen einen exklusiven Zugang zum Wifi des Ortes und hoffen so alles schnell über die Bühne zu bekommen..

Aber wie soll es anders sein: Man sitzt natürlich am Arxxx der Welt und nix funktioniert! Während Max neben dem Laden laufe ich umher und versuche irgendwo zwischen den dunklen halb verfallenen Häusern Empfang zu finden, doch selbst neben der riesigen Antenne funktionert das Internet nicht. Wir geben letztlich auf und versuchen unser Glück erneut beim "Campingplatz". Max setzt sich mit dem Laptop auf dem Bordstein neben der Straße, während ich die Daumen drücke und es immer später und später wird. Die Bewerbungsfrist ist bald vorbei, doch die Dateien lassen sich einfach nicht uploaden. Immerwieder kommen unsinnige Fehlermeldungen, die uns beinah zur Verzweiflung bringen.

 

Mit einem "Puh. Das ist ja gerade nochmal gut gegangen", genießen wir dann eine gefühlte Ewigkeit später Tacos beim No-Name-Taco-Restaurant und legen uns halb neben, halb übereinander in unsere Hängematten und schlafen noch ein paar Stunden bei einer warm, wehenden Meeresbrise, bis wir am Morgen diesem verschlafenen,  liebgewonnenen Ort wieder Lebewohl sagen.


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